Haushaltsrede 2023

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kolbe,

liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat,

liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung,

und vor allem liebe Bürgerinnen und Bürger,

Was wären Kriterien für einen guten Haushalt? Ein Haushalt also, dem auch unsere Einwohnerinnen und Einwohner zustimmen würden. Erstrebenswert wäre dabei sicher, wenn Einnahmen und Ausgaben sich die Waage halten würden.

Die Realität ist, bei der Menge der Sachzwänge kann ein Gemeinderat nur bedingt etwas gegen ein negatives Ergebnis tun. Auf der Ausgabenseite können wir z.B. weder bei den Kindergärten sparen (der größte laufende Posten im Haushalt), noch ernsthaft den Bau einer Grundschule oder die Sanierung einer Turnhalle beliebig verschieben. Auf der Einnahmenseite können wir nicht beeinflussen, ob einem Karlsfelder Unternehmen ein wissenschaftlicher Durchbruch à la BioNTech gelingt. Beiträge wie die Kinderbetreuungskosten wurden bereits deutlich erhöht.

Wie wir gerade (vermutlich) wieder einmal gehört haben, sind wir den Gewalten der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und den Fördertöpfen von Bund und Freistaat ebenso machtlos ausgeliefert, wie der Erhöhung der Kreisumlage. Kurzum – die finanzielle Ausstattung der Kommunen wird im Wesentlichen woanders entschieden.

Und ich verspreche Ihnen, der Gemeinderat und alle Fraktionen darin gehen mit der jeweils vorherrschenden Ausgangslage verantwortungsvoll um.

Und wir danken an dieser Stelle ausdrücklich dem Team in der Verwaltung um den leider erkrankten Kämmerer und seinen eilig eingesprungenen Ersatz, Herrn Cataldo. Aber auch allen Koleinnen und Kollegen im Hauptausschuss für ihre langen Sitzungen.

Wir sparen also nun am Straßenunterhalt und sogar an der Wandfarbe in Kindergärten. Wir rennen, nicht nur beim Bürgerhaus, dem Sanierungsstau hinterher. Gemeinsam statten wir die Feuerwehr mit allem Notwendigen aus und sparen am Maibaumfest. Wir verschieben die Sanierung des Sportheims und sanieren auch unsere Obdachlosenunterkunft erst, wenn es gar nicht mehr anders geht. Wir tun auch die sinnvollsten Dinge nur noch, wenn sie gefördert werden. Das gilt für unsere Klimaschutzmanagerin ebenso, wie für das Bündnis für Demokratie in diesem Jahr. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen. Sie ist das Produkt zähen Ringens um zum Teil kleinste Beträge.

Wenn wir damit fertig sind, ist der Haushalt fast immer genehmigungsfähig. Falls doch nicht, kürzen wir freiwillige Leistungen, bis es passt. So wie wir in diesem Jahr alternativlos das Hallenbad schließen mussten.

Und deshalb kann man diesem Haushalt zustimmen. Auch wenn er nicht ausgeglichen ist und dies vermutlich noch sehr lange nicht sein wird. Weil alles getan wurde, um mit dem Geld immer das zu tun, was gerade besonders wichtig ist und wofür es gerade noch reicht.

Aber genügt das als Kriterium für einen wirklich guten Haushalt? Sollte ein guter Haushalt nicht auch eine Strategie erkennen lassen, wie die Gemeinde zukünftige Herausforderungen lösen möchte?

Dazu gehören weitgehend unstrittige Themen wie:

  • Die Klimaneutralität bis 2035, Klimaanpassungsmaßnahmen
  • Eine Optimierung der Verkehrssituation in Karlsfeld,
    u. a. durch Verbesserungen im Radverkehr und ÖPNV
  • Mehr Angebote für die schnell steigende Zahl Jugendlicher
  • Lösungen für die Wohnungsnot, nicht nur der Gemeindemitarbeiter und Mitarbeiterinnen
  • Mittel gegen die Mitarbeiterfluktuation in der Gemeinde, wie z.B. Führungskräftetrainings
  • Investitionen zur Steigerung der Attraktivität des Gewerbestandorts Karlsfeld

Muss unsere mittelfristige Finanzplanung nicht unbedingt Budgets zur Bewältigung dieser wichtigen Aufgaben beinhalten?  Könnte ein guter Haushalt zumindest den finanziellen Bedarf klar benennen, wenn die Mittel auch nicht immer vorhanden sind? Dann wäre er nämlich wenigstens transparent und würde das strukturelle Defizit nicht länger verschweigen!

Man könnte sich außerdem vorstellen, dass ein Bürgermeister die Verantwortung dafür übernimmt, den ehrenamtlichen Mitgliedern des Gemeinderats in Beschlussvorlagen grundsätzlich auch perspektivische Lösungsansätze vorzulegen, mit denen strategische Ziele erreicht werden können. Heute wäre dafür erneut eine große Chance gewesen.

Wer aber keine Strategie erkennen lässt, wer seine Bürgerinnen und Bürger nicht mitnehmen kann, kann ihnen auch keine Kürzungen zumuten.

Wohl auch deshalb waren 2021 große Teile des Gemeinderats nicht bereit, dringend erforderliche Maßnahmen zu Haushaltssanierung der Gemeinde anzugehen. Uns GRÜNEN war völlig klar, dass das hohe strukturelle Defizit zur Kürzung freiwilliger Leistungen in erheblichem Umfang führen würde, genauso wie es nun leider beim Hallenbad unvermeidlich war. Und zwar trotz möglicher Förderung durch den Bund.

Corona hat die Dinge vielleicht beschleunigt, aber das strukturelle Defizit der Gemeinde wäre für jeden wirklich Interessierten erkennbar gewesen, wenn die Kürzungen etwa im Straßenunterhalt oder bei der eingesparten Verkehrswende (z.B. überdachte Fahrradständer) transparent dargestellt werden würden. So aber wurde tatsächlich erst gehandelt, als das Landratsamt androhte, die Genehmigung des Haushalts zu verweigern. So war wenigstens niemand in Karlsfeld schuld.

Warum müssen wir GRÜNEN überhaupt eine Prioritätenliste für anstehende Sanierungen im Hochbau beantragen? Warum braucht es einen Antrag für eine strategische Haushaltsplanung, die doch selbstverständlich sein sollte? Der zu diesem Zweck gegründeter Arbeitskreis hat übrigens noch nicht ein einziges Mal getagt.

Ich befürchte, weil eine Strategie, anders als operatives Reagieren, sehr leicht angreifbar ist. So kann man heute wunderbar über die Wärmepumpenstrategie des Wirtschaftsministers diskutieren, die Menschen tatsächlich etwas zumutet. Hätten Vorgängerregierungen das Thema ernsthaft angepackt, den Menschen vom Wohlstandsverlust durch die Klimakriese erzählt und eine echte Strategie entwickelt, dann müsste heute nicht alles so schnell gehen und wäre weniger teuer für uns alle.

Damit beende ich meinen Ausflug in die Bundespolitik, der nur eines verdeutlichen soll – wer heute keine Strategie entwickelt, wird morgen viel Geld ausgeben müssen, um harte Korrekturen oder Sanierungen zu bezahlen. Wir haben 10 Mio. Euro Restwert des Hallenbades vernichten müssen, weil niemand rechtzeitig gegengesteuert hat!

Genau so läuft es in dieser Gemeinde. Unser Haushalt verschleiert das strukturelle Defizit und setzt keine langfristigen Prioritäten. Das Vorgehen bei den Haushaltsberatungen beschäftigt 30 Gemeinderätinnen und -Räte stundenlang mit Kleinstbeträgen, statt sich um Konzepte für wirklich wichtige Fragen zu kümmern.

Was aber vielleicht am schlimmsten ist – das alles fördert die Frustration bei Bürgerinnen und Bürgern, denen suggeriert wird, es ließe sich nichts ändern.

Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat und lieber Herr Bürgermeister, stimmt so einfach nicht. Man darf es nur nicht fast ausschließlich diesem Gremium überlassen, Konzepte zu entwickeln. Es ist Aufgabe des Bürgermeisters, Haushaltsszenarien zu formulieren und mit seinem Team Vorschläge für die Probleme von heute und morgen zu erarbeiten. Und dann, erst dann, diese dem Gemeinderat zur Entscheidung vorzulegen. So funktioniert es in anderen, erfolgreichen Gemeinden.

Der dabei entstehende Gestaltungsspielraum bei der Entwicklung von Vorschlägen würde unsere Teams in der Verwaltung motivieren, viel kreativer an Probleme heranzugehen. Der Gemeinderat könnte solche Initiativen unterstützen, statt das Gefühl ständigen Ausbremsens zu hinterlassen. Und ganz sicher würde dieser Stil auch manche Bewerber überzeugen, in Karlsfeld arbeiten zu wollen.

Heute scheinen wir noch einen weiten Weg vor uns zu haben. Denn dieser Haushalt erfüllt auch in (unserem) dritten Jahr wieder nicht die Kriterien eines zukunftsorientierten Haushalts. Den dürfen unsere Bürgerinnen und Bürger aber von uns erwarten.

Deshalb lehnen wir den diesjährigen Haushalt mit Nachdruck ab.

Im Namen der GRÜNEN Gemeinderatsfraktion
Michael Fritsch